Kotproben des Kotpiloten

Hier einige ausgewählte Textpassagen als Vorgeschmack auf den Roman. Wir hangeln uns dabei in der Reihenfolge der Kapitel durch das Buch.

Kapitel 4: Die Realität des Biertrinkens

Plötzlich muss ich an die Fernsehwerbung der Brauereien denken. An all die realitätsfernen Bilder, auf denen meist junge, adrett gekleidete Leute, gesellig in einer hippen Kneipe, auf einem Segelboot oder einer anderen interessanten Location sitzen und in angeregte Konversationen vertieft an ihren sauberen Biergläsern nippen. So trinken nur Verlierer, Warmduscher oder elende Muttersöhnchen ihr Bier. Mit der beinharten Wirklichkeit des fortgeschrittenen Wirkungstrinkens hat das nicht die Bohne zu tun. Sicher, man kann Freunde treffen, sich angeregt unterhalten und dabei ein gepflegtes Bier trinken. Doch was geschieht, wenn dieses eine gepflegte Bier ausgetrunken ist? Und das geht schnell, viel zu schnell. Dann bestellt man ein zweites, das man auch noch gepflegt trinkt – in aller Gediegenheit und Mäßigkeit, versteht sich. Die Konversation ist dann auch noch angeregt und interessant, vielleicht gibt man sogar noch ein positives Bild in der Gruppe ab. Noch immer passt man bestens dazu, verhält sich erwartungsgemäß. Doch wie schnell ist auch dieses zweite Bier ausgetrunken? Selbst ein halber Liter wird zum sprichwörtlichen Tropfen auf dem heißen Stein, möchte man nur den minimal opportunen Redeanteil in einer solchen geselligen Runde ableisten. Dann muss ein drittes Bier her, wobei der ein oder andere adrett Gekleidete in der geselligen Runde vielleicht verwundert aufmerkt. Ab drei halben Litern Bier endet für die meisten das Genusstrinken und beginnt das Wirkungstrinken, die Sucht, das abweichende Verhalten. Ab drei Gläsern fangen die ersten in der Runde an, genauer hinzusehen.

Doch schneller, als es jedem Beteiligten Recht ist, ist auch dieses Glas wieder leer. Doch was tun? Der Pegel breitet sich doch gerade so schön im Kopf aus. Alles wirkt so bunt, ist so lebendig und intensiv – zumindest innerlich. Jetzt aufzuhören wäre eine Sünde. Ab dem vierten großen Bier beginnt die Konversation dann immer mehr zur Nebensache zu werden. Sie war zwar schon vorher etwas lästig, doch nun beginnt sie, richtig zu nerven. Immer öfter hört man nicht mehr zu und gibt sich seinen Fantasien und Gedanken hin, driftet innerlich weg. Ist der Schalter erst einmal umgelegt, gibt es weder Halten noch Zurück. An oder Aus, Alkoholtrinken ist binär. Mehr und mehr verlagert sich die geistige Aktivität vom Außen auf das Innen. Und je mächtiger die Innenwelt wird, desto unwichtiger wird die Außenwelt. Was zunächst nicht das Schlechteste ist, denn so bestellt sich das fünfte Bier mit weniger Skrupeln. Am Ende des Fünften hat man sich dann schon soweit von der Konversation in der geselligen Runde entfernt, dass Aufmerksamkeit und Interesse für das mittlerweile als blödsinnig empfundene Geschwätz nur noch durch ab und an widerwillig eingeworfene Zustimmungs- oder Annahmelaute geheuchelt werden. Einen passenden oder gar intelligenten Beitrag bekommt man nicht mehr hin. Wozu auch? Intern dagegen kreisen die Gedanken in höchsten Sphären, betört wohlklingende Musik, spielt das anregende Kopfkino.

Und natürlich muss gleich wieder Nachschub her, der schnell auf dem Tisch steht. Allerdings wird der Bestellvorgang zunehmend zur Gefahr, da hierbei peinliche Sprachprobleme offensichtlich werden können. Der Konversation am Tisch lässt sich nicht zuletzt auch deshalb nicht mehr folgen, weil man ständig pissen muss und den Anschluss verliert. Auf dem Klo spielt sich dann auch immer das Gleiche ab: Pimmel raus, strullen und hoffen, dass keiner vom Tisch zufällig auch im Klo erscheint. Man wäre dann ja gezwungen, ein paar höfliche Worte zu wechseln. Oft kommt es dabei zur gefürchteten Pinkelhemmung, wenn man vor lauter Verkrampfung trotz randvoller Blase keinen Tropfen Pisse herauskriegt, nur weil man sich beobachtet fühlt, Zweifel über die Penisgröße aufkommen oder man verlegen wird. Sprachprobleme würden sich in der entlarvenden Face-to-Face-Situation, fernab von kaschierenden Nebengeräuschen der Kneipe und der Auffangfunktion der Gruppe, nicht mehr verbergen lassen. Der andere würde schnell merken, was Sache ist. Meist hat man jedoch Glück und es kommt keiner hinzu. Dann zögert man die Zurückgezogenheit auf dem Klo noch eine Minute heraus und gibt sich seinen pulsierenden Gedanken hin. Nach einiger Zeit reißt man sich dann wieder zusammen und schreitet zurück an den Tisch – in demonstrativ straffer Haltung und mit aufgesetzt interessierter Miene. Doch schon längst hat man jegliches Interesse an dem Kram verloren, den die anderen sich so munter erzählen. Es sind nur wertlose Worthülsen, die wie Abgase in den Äther geblasen werden.

Und da man ohnehin schon schief angeguckt wird und der ein oder andere kritische Spruch zwischen den Zeilen zu vernehmen ist, geht es nur noch darum, die gesellige Situation schnellstmöglich zu verlassen, um sich woanders ungestört und in aller gebotenen Ruhe dem Rausch hingeben zu können. Nach einem siebten Bier nuschelt man eine kaum hörbare und für die anderen meist absurde Verabschiedung in die Runde, zahlt und macht sich aus dem Staub. Aber nicht, um nach Hause zu gehen, sondern um sich in der nächsten Tanke für eine Fortsetzung des Abends ausgiebig zu verproviantieren. Für eine Fortsetzung alleine, ohne die belästigende Anwesenheit anderer. Die erste Hälfte der Dosen geht dann für den Heimweg drauf, der sich, je nach Lust und Laune, durch Umwege beliebig verlängern lässt. Die zweite Hälfte findet schließlich zuhause in die Kehle, wo man schließlich nach dem insgesamt zwölften bis fünfzehnten Bier ins Bett torkelt und zufrieden in den Schlaf fällt. Vielleicht kotzt man vorher noch auf den Fußboden, rutscht in der Soße aus und pennt gleich dort ein. Das ist die Realität des Trinkens, nicht der glattpolierte Mist aus der Werbung.

Kapitel 8: Pissen mit Pils

Die kühle Luft des späten Abends bläst mir ins Gesicht. Mein Blick ist auf die Fassaden der Wohnhäuser gerichtet, hinter denen sich das Leben der gewöhnlichen Leute abspielt. In diesen kleinen Wohnung passiert immer das Gleiche. Es warten Frauen mit ihren Kindern auf die Heimkehr ihrer Männer von der Arbeit, versorgen sie mit mittelmäßigem Essen und schauen ihnen dann beim Fernsehgucken zu, bis es ins Bett geht. Das alles wiederholt sich bei diesen Pantoffelmenschen in monotoner Regelmäßigkeit oft jahrzehntelang. Ab und zu wird dieser Kreislauf der öden Langeweile durch einschneidende Ereignisse gestört, etwa dem Tod eines Beteiligten. Dieser Tod kann plötzlich eintreten oder aber langsam und qualvoll sein. Wie auch immer sich das Ableben gestaltet, es werden sonst wichtige Bestandteile des standardisierten Tagesablaufs einfach weggelassen oder verändert, weil etwa der Ehemann nicht mehr bekocht oder das Kind nie mehr bei seinen bescheuerten Hausaufgaben betreut werden muss. Gleichwohl verwandelt sich dieser geänderte Tagesablauf nach einiger Zeit wieder in ein neues Ritual und wird mit derselben Monotonie ausgeführt, bis eines schönen Tages das nächste einschneidende Ereignis erbarmungslos zuschlägt und eine Änderung erzwingt.

Kapitel 9: Ideen und Pläne

Ich muss schon wieder pissen und suche mir eine dunkle Ecke zum Strullen. Während der warme Strahl meinen Körper verlässt, bemerke ich wieder den altbekannten Darmdruck. Er zählt zu den treusten Begleitern meines Lebens, was wäre ich ohne ihn? Größere Gasmengen haben sich bereits angesammelt und fordern ihre Freilassung in die Außenwelt. Da ich für mein Leben gerne furze, nehme ich das alles mit Freude zur Kenntnis. Furzen ist überhaupt eine der tollsten Begleiterscheinungen eines genussvollen Lebens. Es ist die Belohnung des Körpers nach der Einnahme üppiger Speisen oder leckerer Getränke. Es ist gleichsam Ausdruck seiner Freude über die Zuführung wertvoller Rohstoffe. Und immer wieder genieße ich meine Furze in vollsten Zügen. Wie oft habe ich schon gemütlich biertrinkend in meinem Wohnzimmer gesessen, einen Furz nach dem anderen abgedrückt und den aufsteigenden Duft genossen. Tür und Fenster waren stets geschlossen, damit sich im Laufe der Zeit eine umwerfende Duftkulisse aufbauen konnte.

Es gab auch Zeiten, in denen ich mein Essen so wählte, dass möglichst lange und heftige Blähungen zu erwarten waren. Immer noch ist es ein heimlicher Traum von mir, das ultimativ blähende Gericht zu kochen und es ahnungslosen Gästen zu servieren. Ein Gericht, das nur aus solchen ausgewählten Zutaten besteht, die in den Därmen irreversible Gärprozesse anstoßen und jeden Menschen auf diese Weise unweigerlich zum eruptiven Flatulieren zwingen. Meine Idee ist es, Freunde oder Bekannte zu einem selbstgekochten Essen einzuladen und ihnen dabei heimlich dieses ultimative Furzgericht zu servieren. Und dann, nachdem sie alle aufgegessen haben, würde ihre angenehme Qual in den Därmen beginnen. Alle würden sich schämen, keiner würde sich trauen, ins Zimmer zu furzen, aber das Klo wäre ständig besetzt. Ich stelle mir plastisch vor, wie alle meine Gäste ihre Gesichter verziehen und versuchen würden, sich ihren heftigen Darmdruck auf keinen Fall anmerken zu lassen, weil es ihnen peinlich wäre. Doch irgendwann würde zwangsläufig der lang erwartete Punkt kommen, an dem keiner mehr dem immensen Darmdruck standhalten kann. Der Moment, an dem das Gekröse über Contenance und gute Sitten siegt. Dann nämlich bliebe den Leuten nichts anderes mehr übrig, als ihre Furzgase ins Freie zu entlassen und sich beschämt zu erleichtern, sie müssten ihren heftigsten Flatulenzen öffentlich freien Lauf lassen und sich voller Scham offenbaren.

Kapitel 10: Nacktschichtzulage

Warum muss der Mensch denn nur unablässig Entscheidungen treffen? Warum muss er sich stets und ständig mit unbefriedigenden Lebensumständen herumschlagen, denken, planen, entscheiden und handeln? Warum gibt es niemals die wohlverdiente Ruhe? Ich muss schon wieder pinkeln. Doch ich habe es mir in meinem Sessel gerade so schön gemütlich gemacht. Nein, ich will nicht aufstehen und aufs Klo gehen, will mich nicht mehr den elenden Zwängen dieser Welt und meines Körpers beugen. Überhaupt geht mir dieses andauernde Gepisse, diese immerzu bis obenhin volle Blase, gehörig auf die Nerven. Und deshalb will ich ein Zeichen setzen für die Freiheit von allen Zwängen, seien sie nun weltlicher oder körperlicher Natur. Genau, so muss es sein! Ich lasse mich nicht mehr von meiner Blase auf die Toilette zwingen, nein, ich kann die Pisse auch hier in meinem Polstersessel herauslaufen lassen. Und so gebe ich einfach dem Drang nach und pinkele im Sitzen. Der warme Urin benetzt das Polster und wird von ihm aufgesogen. Wie schön es doch ist, den Widrigkeiten der Welt Paroli zu bieten. Ich muss nicht mehr alles unhinterfragt hinnehmen, ich kann enge Grenzen ausloten, entfernte Horizonte überschreiten, kann mein Bewusstsein erweitern und meine Persönlichkeit entwickeln. Fortan wird mein Leben freier sein, weil ich mich des Zwanges entledigt habe, bei jedem Blasendruck einen zugewiesenen Raum für meine Verrichtungen aufsuchen zu müssen. Stück für Stück lasse ich so mein altes und unperfektes Leben zurück und wende mich einer neuen Existenz voller Glück und Freiheit zu.

(…)

In meinem Magen hat sich in der Zwischenzeit wieder der übliche gewaltige Gasdruck angesammelt, der vehement an die Pforte zur Außenwelt klopft. Ich gewähre ihm Auslass und bereite den sich anbahnenden Rülpser mit einer leicht aufgerichteten Körperhaltung vor. Ich ziehe meinen Kopf zurück, reiße den Mund weit auf, klopfe unterstützend auf den Bauch, wobei ich spüre, wie sich ein unfassbares Gasvolumen seinen Weg vom Magen zur Kehle bahnt. In freudiger Erwartung verharre ich in dieser besonderen Sitzposition, bis es den aufgestauten Gasmassen gelungen ist, sich durch den Mageneingang bis zur Kehle vorzuarbeiten. Nun bäume ich mich ein wenig auf, spüre, wie sich die Faulgase bitzelnd zu meinem Mund fortbewegen. Mit allen Muskeln des Zwerchfells presse ich beständig nach und schreie das komplette Gasvolumen auf einmal ins Zimmer hinaus. Mir ist es nicht möglich, diesen Vorgang zu unterbrechen. Ich will es auch nicht, denn zu herrlich ist das brüllende Gurgeln in Verbindung mit der unendlichen Entlastung der Magenwände. Ein paar feste Bröckchen sind mit hinaufgerissen worden und kleben an den Zähnen. Ich rotze sie einfach hinaus, denn die säuerlichen Speisereste stören mein Wohlbefinden.

Doch einige der Klumpen sind viel größer, als ich gedacht habe. So leicht lassen sie sich auch nicht ausspucken, denn irgendwelche schleimigen Fäden haben sich hartnäckig zwischen meinen Zähnen verfangen. Jetzt habe ich das sehnige Zeug zwischen den Lippen und kann es einfach nicht loswerden. Der Ekelkram aus meinem Magen hat sich hartnäckig in meinem Mund eingenistet. Was zum Teufel habe ich denn gegessen? Die Pizza kann es nicht gewesen sein. Ich kann mich nicht erinnern, dass dieses Zeug auf der Pizza gewesen ist. Vielleicht ist es ja ein Teil der Galle, der Milz, der Blase, der Bauchspeicheldrüse, der Leber oder irgendeines anderen abartigen Gekröses, das wegen des ständigen Alkoholkonsums beleidigt den Dienst quittiert hat. Wie widerlich. Unwillkürlich versuche ich den anderen Weg und schlucke den knubbeligen Wabbelkörper herunter. Aber auch das klappt nicht so richtig. Was folgt, ist ein Würgen, das sich rasant ausbreitet und in einen spontanen Brechreiz mündet. Mein gefüllter Magen krampft sich schlagartig zusammen, presst seinen brodelnden Inhalt nach oben. Erschrocken, fast schon entsetzt, gaffe ich mit tropfenden Lippen auf die gelbbraune Brühe, die fast zwei Meter weit in den Raum gespritzt ist.

Kapitel 12: Am Beginn einer neuen Zeit

Durch das Fenster fällt schon ein wenig fahles Morgenlicht. Ich schließe die Augen, damit ich es nicht sehen muss. Zur Sicherheit ziehe ich die Bettdecke bis weit über den Kopf. Mir ist, als läge ich auf einer schnell rotierenden Scheibe, wobei mein Puls heftig rast. Irgendwie genieße ich dieses fremdartige Gefühl, das mir signalisiert, nicht mehr von dieser Welt zu sein oder wenigstens den Kontakt zu ihr verloren zu haben. Für mich fühlt es sich ein wenig wie sterben an – schwerelos um die eigene Achse rotierend hinweg zu gleiten und immer mehr Abstand zu den profanen Dingen des Alltags zu gewinnen. Wie schön muss es sein, wenn plötzlich nichts mehr von Bedeutung ist. Wenn Sorgen, Ängste, Hoffnungen, Pläne und Erinnerungen schwinden und im großen Nichts des Todes aufgehen. Wenn es nichts mehr zu bewerten und zu beurteilen gibt, man von nichts und niemanden mehr bewertet und beurteilt wird, wenn nichts mehr zu glauben, zu erwarten oder zu befürchten ist, dann herrscht die vollkommene Freiheit. Wenn mit dem Bewusstsein endlich auch die permanente Tätigkeit des Geistes erlahmt, schließlich mit dem Unbewussten auch all die übermächtigen schwarzen Schatten verschwinden, bis mit einem Male alles Erleben zum Erliegen kommt, ausgelöscht, abgeschaltet und fort ist. Dieser winzig kleine Moment, in dem das letzte minimale Fünkchen an Geistestätigkeit wie der letzte Rest Glut einer niedergebrannten Kerze erlischt, muss der schönste Moment im Leben sein, nämlich das Sterben.